Die Kunst des Scheiterns – oder: Fehler herzlich willkommen

Wenn alles schiefgeht…

Neulich erzählte mir eine Mutter in der Beratung:
Eigentlich sollte es ein gemütlicher Nachmittag werden. Meine Tochter und ich wollten Muffins backen. Sie war voller Begeisterung dabei, hat Mehl abgemessen, Eier aufgeschlagen und den Teig ganz stolz in die Förmchen gefüllt. Ich habe mich so gefreut über ihre Freude. Es war so ein toller Moment für uns beide und wir warteten gespannt auf das Ergebnis. Doch als die Muffins aus dem Ofen kamen, war die Stimmung dahin: außen verbrannt, innen roh, völlig ungenießbar. Mir stieg sofort der Ärger hoch: über die verschwendeten Zutaten, die klebrige Küche, die vertane Zeit. Und ich war enttäuscht, weil ich mir diesen Nachmittag so schön ausgemalt hatte. Eigentlich hätte ich gleichzeit heulen und wüten können. Während ich noch in meinen Gedanken gefangen war, schaute meine Tochter die misslungenen Muffins an, zuckte mit den Schultern und sagte: „Macht nichts, Mama, dann probieren wir’s eben nochmal!“

Ist das nicht eine schöne Geschichte?
Ganz klar: Die Mutter war im ersten Moment enttäuscht und ärgerte sich. Doch dann rettete ihre Tochter die Situation: Alles nicht so schlimm! Und schon wurde klar: Für ihre Tochter war das Misslingen gar kein Drama. Sie hatte Spaß am Tun, am gemeinsam arbeiten in der Küche – zusammen mit Mama. Es war ein Abenteuer.
Das Ergebnis: „Mangelhaft“ – ja.
Aber: Das kann man verbessern. Man startet einfach einen neuen Versuch. Egal, ob jetzt sofort oder eben erst ein paar Tage später.

Scheitern ist ein ganz normaler Teil des Lebens und trotzdem tun wir uns so schwer damit. Wir verbinden es mit Scham, Versagen oder dem Gefühl, nicht gut genug zu sein. Diese Haltung spüren auch unsere Kinder. Die Angst zu scheitern wird oft unbewusst von uns Eltern weitergegeben. Im Familienalltag herrscht die unausgesprochene Erwartung, besser keine Fehler zu machen.

Heute möchte ich euch einladen Scheitern in einem neuen Licht zu betrachten. Fehler nicht länger als Makel zu sehen, sondern als Chance zu wachsen? Genau hier beginnt die Kunst des Scheiterns und die kann für Eltern wie Kinder ein echter Gamechanger sein.

Inhaltsangabe

Warum wir Scheitern so fürchten

Schon früh lernen wir: Fehler sind schlecht. Spätestens in der Schule gibt es rote Striche, miese Noten und zu Hause manchmal strafende Blicke oder harsche Worte. Wir alle kennen dieses ohnmächtige Gefühl nicht zu genügen und zu versagen. Je nachdem, wie im Elternhaus mit schlechten Noten und „fehlerhaftem“ Verhalten umgegangen wurde, prägt uns dieses Muster sehr tief. Es begleitet uns später als Erwachsene – manchmal quält es uns ein Leben lang.

Kein Wunder also, dass viele Eltern unbewusst versuchen, ihren Kindern das zu ersparen. Sie vor dieser fürchterlichen Scham zu bewahren. Ihre Kinder vor Fehlern und Niederlagen zu schützen.
Eine Mutter berichtete mir einmal, dass sie ihrem Sohn die Teilnahme an einem Fußballturnier verboten hatte. Ihre Sorge: Er könnte verlieren und sauer sein. Tatsächlich war es auch so, dass er sich schwer tat zu verlieren. Er tobte, wütete, ließ seine Wut an allem und jedem aus. Kurzfristig also eine scheinbar gute Lösung, den Sohn gar nicht erst teilnehmen zu lassen. So kann es keine Niederlage geben, also auch keinen Frust und die daraus entstehende Aggression. Aber langfristig? Langfristig hat dieses „Beschützen“ fatale Auswirkungen: Dem Kind fehlt die Chance, mit Enttäuschungen, Ärger und Wut umzugehen und daraus innere Stärke zu entwickeln. Die sind aber unser Alltag. Ständig sind wir mit Kritik, Erwartungen und auch Niederlagen konfrontiert. Das lässt sich niemals dauerhaft umgehen.
Die eigentliche Frage ist doch: Wirft uns das aus der Bahn, sind wir am Boden zerstört? Oder haben wir genug innere Sicherheit und Überzeugung, damit angemessen und konstruktiv umzugehen. Dann können wir aus diesen vermeintlich fürchterlichen Ereignissen eine große Protion Erkenntnis mitnehmen. Damit werden wir zufriedener, selbstsicherer und vor allem selbstbestimmt.

Scheitern als Chance

Die Wahrheit ist: Kinder brauchen Niederlagen, Rückschläge und Momente, die nicht glattlaufen. Denn genau darin entwickeln sie die dringend notwendige Resilienz – also die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen.

Wenn wir als Eltern unseren Kindern etwas zutrauen, ihnen etwas zumuten, schenken wir ihnen Vertrauen. Sie werden ermutigt in die Welt hinaus zu gehen, auszuprobieren. Wir vermitteln: Du kannst wachsen. Du darfst hinfallen – und wieder aufstehen. Wir machen Mut!

Jedes Scheitern ist dabei nicht das Ende, sondern der Anfang von etwas Neuem. Fehler sind Einladungen, neue Wege zu finden, kreativer zu werden, eigene Lösungen auszuprobieren.

Was passiert, wenn wir Fehler vermeiden?

Verhindern wir als Eltern, dass das Kind eigene Fehler machen kann, erlebt es die eigene Unfähigkeit: „Ich kann das ja sowieso nicht“ Gleichzeitig werden die Eltern überhöht wahrgenommen: „Meine Eltern wissen immer eine Lösung, sie machen keine Fehler“. Klar, dass es dann immer schwieriger für das Kind wird, mutig voranzugehen. Die Angst Fehler zu machen, wächst unaufhörlich. Das Kind wird vorsichtig, zieht sich zurück und vermeidet Neues. Manche reagieren mit Aggression, um ihre Unsicherheit zu überspielen. Kooperation und Mut, sich einzubringen, bleiben dabei auf der Strecke. Stattdessen wird das Kind immer abhängiger von den Entscheidungen und Lösungen der Eltern. Weitergedacht bis ins Erwachsenenalter, führt das natürlich auch zu einer generell sehr hohen Anpassungsbereitschaft in Beruf und Partnerschaft. So kann man kein eigenständiges, wirklich selbstbestimmtes Leben mehr führen.

Ermutigen wir unsere Kinder dagegen, auszuprobieren und dabei auch Fehler zu machen, entsteht Raum für Entwicklung: Sie werden selbstbewusster, neugieriger und kreativer. Herausforderungen verlieren ihren Schrecken und werden zu echten Glücksfällen. Wie wichtig das tatsächlich ist – insbesondere für Schüler, liest du hier.

Die Kunst des Scheiterns im Familienalltag

Wie können Eltern diese neue Fehlerkultur konkret leben? Hier ein paar Impulse:

  • Nobody is perfect!
    Sprich offen über deine eigenen Fehler. Erzähle deinem Kind, was dir misslungen ist und welche Lösung du gefunden hast. So erlebt es: Fehler gehören zum Leben.
  • Versuch zählt!
    Lobe nicht nur das Ergebnis, sondern vor allem den Mut, etwas Neues auszuprobieren. Damit stärkst du die Freude am Lernen und Experimentieren.
  • Realistische Ziele setzen.
    Hilf deinem Kind, Aufgaben zu wählen, die herausfordernd, aber erreichbar sind. So wächst die Motivation, sich auf Neues einzulassen – ohne lähmende Angst vor dem Scheitern.
  • Begleiten statt beschützen.
    Anstatt dein Kind vor Rückschlägen fernzuhalten, begleite es dabei. Zeig ihm, wie man nach einem Misserfolg wieder aufsteht und weitermacht.
  • Gefühle ernst nehmen.
    Frust, Traurigkeit und Ärger gehören dazu. Indem du diese Gefühle zulässt und dein Kind darin begleitest, stärkst du seine Fähigkeit, gesund damit umzugehen.

Hier noch weitere Tipps für den Alltag.

Scheitern verbindet und macht stark

Eine neue Fehlerkultur in Familien bedeutet: Scheitern ist keine Bedrohung, sondern eine große Chance. Eltern und Kinder lernen, dass Rückschläge dazugehören – und dass sie gemeinsam daraus wachsen können.

Indem wir Scheitern nicht als Endpunkt, sondern als Startpunkt betrachten, schaffen wir eine Atmosphäre von Vertrauen, Kooperation und innerer Stärke. Genau darin liegt die Kunst: Wir geben uns selbst und unseren Kindern die Freiheit, menschlich zu sein – und dadurch über uns hinauszuwachsen.

Fazit: Scheitern verändert alles

Scheitern ist kein Makel, sondern ein Geschenk. Es zeigt, dass wir etwas wagen, dass wir uns auf Neues einlassen. Für Eltern heißt das: Wir müssen nicht perfekt sein. Für Kinder bedeutet es: Sie dürfen Fehler machen – und werden dabei begleitet und dürfen daran wachsen.

Die Kunst des Scheiterns eröffnet Familien die Chance, gemeinsam stark zu werden, Resilienz aufzubauen und das Leben in all seinen Höhen und Tiefen anzunehmen. Und das brauchen wir alle mehr denn je jeden Tag aufs Neue. Also lasst uns damit starten!

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